Nina Bedoui mit ihrem Sohn, Agnes Haueter und Annemarie Hofer (von links) setzen sich für eine gewaltfreie Gesellschaft ein. / Bild: Nina Hänni (nhs)
Langnau: Zwei Gruppen aus dem Emmental schliessen sich der internationalen Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» an. Die Aufklärungsarbeit sei auch hier wichtig.
In der Schweiz wird gemäss dem Rechercheprojekt «Stop Femizid» alle zwei Wochen eine Frau von ihrem (Ex-)Partner oder einem Bekannten getötet. Hinter dieser Zahl verberge sich eine riesige Dunkelziffer von unsichtbaren Taten. Gewalt in Beziehungen ist in der Schweiz alltäglich. Zwei Gruppen wollen sensibilisieren. Sie tragen die internationale Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» nach Langnau. Die Interessengemeinschaft von Agnes Haueter und Nina Bedoui ist aus dem Frauenstreik entstanden und trifft sich regelmässig zum Austausch. «Wir sind offen für alle, auch für männlich gelesene Personen», sagt Nina Bedoui. Annemarie Hofer gehört zum Soroptimist Club Emmental, Teil des internationalen Service-Clubs für berufstätige Frauen. «Bei uns geht es um Bildung und das Wohl von Kindern und Frauen», sagt sie.
Die Grenzen kennen
«Der Begriff ‹häusliche Gewalt› soll ganz konkret werden», meint Agnes Haueter. «Man soll klar wissen, was Gewalt ist und die Grenze kennen.» Bereits ausgelacht, ständig kritisiert oder von der Familie isoliert werden, gelte als Gewalt. Jede einzelne Person, aber auch Organisationen wie die Polizei, sollen aufgeklärt werden. Physische und psychische Integrität seien ein Menschenrecht, betont sie. Es gehe darum, dass man merke, wann dieses verletzt werde – als Opfer, aber auch als Täterin oder Täter. Gemäss Annemarie Hofer geht es auch darum, Menschen darin zu stärken, aus ungesunden Mustern auszubrechen. «Der erste Schritt zur Selbstermächtigung ist, überhaupt erst zu spüren, wenn eine Grenze überschritten wird, und dann mit jemandem darüber zu sprechen», ergänzt Agnes Haueter. Es gehe darum, das Tabu zu brechen, denn Isolation mache machtlos.
Schuhe und Papiersäcke
Um die Menschen zu sensibilisieren, sind 16 Tage lang Aktionen geplant, etwa ein Büchertisch in der Bibliothek Langnau. Weiter hat die Gruppe von Bedoui und Haueter Schuhe orange bemalt und in Geschäften in Langnau zusammen mit Plakaten ausgestellt. Jedes Paar Schuhe symbolisiere das Leben einer Frau, die durch geschlechtsspezifische Gewalt ums Leben kam, erklärt Nina Bedoui. Orangefarbig beleuchtete Kirchen und Schlossfassaden setzen zusammen mit Fahnen ein Zeichen. Weiter stellen die Soroptimistinnen Papiersäcke mit der Aufschrift «Gewalt kommt nicht in die Tüte» als Brotverpackung in verschiedenen Bäckereien zur Verfügung.
SCL Tigers und Skorps machen mit
Auch Sportklubs konnten für Aktionen gewonnen werden. So werden am Hockey-Match der SCL Tigers gegen den HC Ambrì-Piotta Banner aufgehängt und Bildschirme bespielt. Selbst die Blumen im Tigersaal würden mit ihrer orangen Farbe für Gewaltfreiheit einstehen, sagt Annemarie Hofer stolz. Die Unihockey-Frauen von Skorpion Emmental spielen am 7. Dezember im orangen Trikot in der Ballsporthalle in Zollbrück. Nach dem Spiel werden die Trikots versteigert, das Geld wird einer Organisation gespendet, die sich gegen Menschenhandel einsetzt. Zudem findet am 7. Dezember ein Selbstverteidigungskurs für Frauen im Budo Club Langnau auf Kollektenbasis statt. All dies sei wichtig, sagen die Frauen, denn es sei ein Thema, das für alle Generationen und Geschlechter relevant sei. Auch im ländlichen Raum sei der Aufklärungsbedarf für diese Themen gross, so Nina Bedoui. «Gewalt, gerade im häuslichen Kontext, wird oft abgetan», meint sie, werde sogar als «normal» angesehen. Deshalb brauche es solche Aktionen, als kleine Schrittchen auf dem Weg zu einer gewaltfreien Gesellschaft. «Häusliche Gewalt kann nur gesehen werden, wenn man nicht nur bei andern, sondern auch bei sich selber hinschaut. Und damit dies geschieht, muss Verständnis für die Grenzen physischer und psychischer Integrität geschaffen werden», schliesst Agnes Haueter.