«Dr Samichlous, dr Samichlous Dä nimmt die böse Butze U git se, wo se niemmer fingt, De Chräje u de Chutze». Dieses Kleinod subtiler Dichtkunst entdeckte ich einmal in einem Bändchen mit «Wiehnachtsvärsli» aus den 1940er-Jahren. Das müssen noch Zeiten gewesen sein! Bei meinem ersten und einzigen Einsatz als Samichlaus hatte ich es jedenfalls anders im Sinn. Mir schwebte mehr so der nette Typ mit Bart und Jutebeutel vor. Ein Hipster-Prototyp von einem Samichlaus, quasi. Ich war fürs Chlausen ange-fragt worden von einem Verein oder Quartiertreff, ich weiss nicht mehr genau, das ist schon ewig her. Sie würden alles für mich organisieren, hatten sie gesagt, inklusive Kostüm und allem. «Aber bitte keine dieser gruseligen Masken», bat ich, «ich möchte die Kinder nicht verschrecken.» Ich tauchte also zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort auf, einer Hornusserhütte oder einem Agility-Vereinslokal, jedenfalls lag es am Waldrand. Ich hatte weiter hinten parkiert und kam nun, angetan mit roter Robe, Rute, Bart und Jutesack, aus dem Wald getreten zu den Familien, die bereits bei Apfelpunch und Glühwein sassen. Ein Raunen ging durch ihre Reihen: «Dr Samichlous, dr Samichlous!» Eines der Kinder entdeckte mich, holte tief Atem und dann begann es zu schreien wie am Spiess. Es kreischte und winselte, es kriegte kaum noch Luft. «Nein!», schrie es ein ums andere Mal, «Nein! Nein!» Panisch klammerte es sich an seine Mutter. «Wir haben ihm drum gesagt, wenn er nicht aufhört, in die Hosen zu machen, dann nimmt der Samichlaus ihn mit», erklärte mir die Mutter mit einer befremdlichen Mischung aus Schalk und Entschuldigung. Ich kratzte mich in meinem Rauschebart. «Überraschungsmoment», dachte ich, nahm ihr das Kind ab und setzte es auf den Boden. Dann packte ich die Mutter und den Vater, stopfte beide in meinen grossen Sack und trug sie grimmig lachend in den Wald. Sie zappelten und protestierten. Auf einer Lichtung packte ich sie wieder aus, dann schwartete ich ihnen mit meiner Rute so dermassen den Hintern aus, dass sie erst an Heiligabend wieder halbwegs bequem sitzen konnten. Nein, das tat ich selbstverständlich nicht, das hab' ich mir jetzt nur ausgedacht. Ich war schliesslich ein netter Chlaus. Ich kratzte mich also in meinem Wattebart, dann sagte ich: «Äh?... nein. So etwas tut der Samichlaus nicht.» Der Bub heulte dann trotzdem noch ein wenig weiter. Ich hörte mir derweil die Värsli der anderen Kinder an, verteilte Chlausensäckli und erzählte noch eine Geschichte von einem Esel.