Mein Mann, meine Tochter und ich sitzen an unserem Holztisch. Die «Lämpli» am Weihnachtsfenster leuchten. Die Welt draussen findet beinahe nicht statt. Unten im Atelier, der 93-jährigen Urgrossmutter, steht ein Brennofen. Wie in eine andere Zeit versunken, sitzen wir drei da und formen unsere Weihnachtsgeschenke. Meine Tochter formt ein Einhorn-
Zebra, ich eine Vogelschale und mein Mann einen Schuh. Unsere Katze schnurrt dazu: «Jingle Bells». Oder es wäre zumindest das Tüpfelchen auf dem i, wenn sie das Schnurren würde.
Gerade als meine Tochter ihr Einhorn-Zebra fertig geformt hat, erklingt ein elektronisches Geräusch. «Bling! Der Akku ist leer. Bitte stelle mich aufs Akkuladegerät.» Meine Tochter noch Ton an den Händen, watschelt zu ihrer blauen Toniebox. Mit ihren warmen Tonfingerchen greift sie nach dieser kalten, quadratischen Box mit dem Plastikfigürchen von Globi oben darauf. Eigentlich hätte ich Folgendes sagen sollen: «Bitte wasch dir vorher die Hände. Schau, die Toniebox wird ganz dreckig.»
Aber das konnte ich nicht. Fast schon bin ich etwas schadenfreudig. Fast schon hatte ich das Gefühl, es geschehe dieser Toniebox recht, dass sie nun nicht mehr so vor sich hin modernisiert und sich mit ihrem Plastikfigürchen ganz schön eingebildet vorkommt. Logisch heisst sie dann auch noch Toniebox und nicht etwa «Kassettli-Verdränger-Kiste». Mittlerweile ist die ganze Toniebox voller Ton. Das elektronische Geräusch kämpft sich jedoch tapfer durch das natürliche Material hindurch und hört nicht auf, uns zu informieren, dass es bald tot sein werde, wenn wir es nicht sofort an das Kabel hängen. Das Globifigürchen grinst uns zwischen dem Ton hindurch an, mit einem siegessicheren Ausdruck
in den Augen, als wolle es sagen: «Also ich bin nicht abhängig von dieser Box. Ich bin eine eigenständige Plastikfigur!»
Mittlerweile sieht man die Tonie-Box beinahe nicht mehr vor lauter Ton.
Ich nehme sie meiner Tochter nun doch entschlossen weg, gebe der Kleinen stattdessen ein Stück Ton zum Formen und «pützle» die Toniebox. Dabei versuche ich so viel Liebe wie möglich zu spüren, versuche den eindringlichen Blick von Globi zu ignorieren und höre meiner Tochter zu, wie sie Jingle-Bells singt, im Takt dazu schnurrt unsere Katze. Schlussendlich landet die Toniebox wohlig auf ihrem Akkuladegerät, während Globi endlich seine Geschichte erzählen darf mit dem Titel:
Zwischen Ton und Toniebox!