Versöhnung und Vergebung

Versöhnung und Vergebung
Lebendige Gemeinschaft: Gottesdienst der Alttäufergemeinde in Langnau. / Bild: Jasmin Wyss
500 Jahre Täufertum (2/2): Durch die Vertreibung der Täufer gelangten viele Familien aus dem Emmental in verschiedenste Länder. Aber auch die hiesige Gemeinschaft überlebte.

1571 wurde der letzte von 40 Täufern in Bern durch das Schwert hingerichtet. Es handelte sich um den Sumiswalder Hans Haslibacher. Der Landwirt und Täuferprediger wurde nach wiederholten Verhaftungen und Ausweisungen geköpft. Von einem unbekannten Autor stammt das später entstandene, legendenhaft ausgeschmückte «Haslibacher-Lied», das in 32 Strophen die Standhaftigkeit und den Glaubensmut des Märtyrers besingt. Das Lied fand in täufe­rischen und anderen nonkonformistischen Kreisen eine weite Verbreitung, obwohl es von der Berner Obrigkeit bis ins 18. Jahrhundert mehrfach verboten worden war. Über die Jahrhunderte starben zahlreiche bernische Täufer auf der Flucht, in Haft wie auch auf den Galeeren. Einige der mit ungeheuerlicher Brutalität vertriebenen Emmentaler durften sich dank des katholischen Bischofs von Basel im Jura ansiedeln. Sie waren, wie auch in anderen Gegenden und Ländern, geschätzt als Leute, die das Land urbar machen konnten und so mithalfen, die Wirtschaft anzukurbeln. Etliche aber wurden zu einem Fussmarsch nach Bern gezwungen, dort auf Boote verladen und in die Niederlande verschifft, teilweise auch in die USA.


Höfe wurden verkauft

Waghalsige sprangen von den Booten, wanderten zurück zu ihren Höfen im Emmental, nur um festzustellen, dass die Obrigkeiten, die eng mit der reformierten Kirche verknüpft waren, ihren Hof verkauft hatten und mit einem Drittel des Erlöses Kirchen renoviert wurden. Plötzlich konnten sich Kirchgemeinden eine Uhr am Kirchturm leisten. Die zwei anderen Drittel gingen an den Landvogt. Wurden die Rückkehrer erwischt, konnten sie sich der Hinrichtung gewiss sein. 

Starben Täufer, durften sie vielerorts nicht auf dem Friedhof beerdigt werden. Einige wurden neben dem Speicher, andere neben der Linde auf dem Bauernhof bestattet. Nach der Erneuerung des Täufermandats im Jahr 1671 flohen um die 700 Täufer in die Pfalz, andere ins Elsass. Ihre lokalen Kontakte halfen ihnen, tags auf Luzerner Boden zu marschieren, des nachts über Berner Boden. Nach dem Napf wurde es dann schwieriger für die Flüchtenden. Trotz aller Repression blieben auch nach dieser Zeit noch Täufer im Emmental.


Bewegung spaltete sich

Ende des 17. Jahrhunderts kam es in der Täuferbewegung zu grundlegenden Dis­kussionen. Jakob Ammann hätte gerne das Abendmahl zweimal anstatt nur einmal pro Jahr gefeiert. Neben geistlicher Disziplin forderte er auch, dass die Männer ihre Bärte nicht mehr schneiden und die Frauen sich konservativer kleiden sollten. Diese Forderungen trieben einen Keil zwischen die Alttäufer als die Modernen und die daraus hervorgegangenen Amischen als die Konservativen. Die Alttäufer legten mehr Wert auf das Herz, das geistliche Leben – die Amischen ihrerseits achteten auch auf die Bekleidung und verboten ihren Mitgliedern das Tragen der damals modernen Knöpfe; die Amischen blieben lieber bei den «Häftli». Die beiden Gruppierungen teilten sich zwar den gemeinsamen täuferischen Hintergrund, gingen aber nach einer grundlegenden Versammlung, welche in der Friedersmatt bei Bowil abgehalten wurde, fortan separate Wege.

Die Amischen entschuldigten sich später für ihre verhärtete Haltung. Heute gibt es in der Schweiz keine Amischen mehr, wohl aber zu Tausenden in Nordamerika und anderen Gegenden, in denen sie Kolonien gegründet hatten.


Das erste eigene Versammlungslokal

Erst 1848 brachte die Bundesverfassung die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Es dauerte aber weitere 40 Jahre, bis die ersten Emmentaler den Mut fanden, ein eigenes Versammlungslokal zu bauen. Um die 40 Stubenversammlungen kamen von da an zum gemeinsamen Gottesdienst in Langnau zusammen. Eine Stubenversammlung konnte bis zu 70 Personen umfassen. Sowohl im 19. als auch im 17. Jahrhundert beeinflussten erweckliche Bewegungen die Täufer. Die meisten der Gemeindeleiter und Prediger waren Laien. Erst im 20. Jahrhundert sandten auch die Emmentaler Täufer ihre Männer an theologische Ausbildungsstätten wie St. Chrischona bei Basel, um sie anschliessend als Pastoren zurück­zubekommen. Dadurch erhielt die Täuferbewegung einen erneuten geistlichen Aufschwung. 1955 war die Täuferversammlung im Emmental so gross, dass die Gemeinschaft beispielsweise 700 neue Gesangsbücher anschaffen musste.


Eine weltweite Bewegung

Durch Verfolgung, Vertreibung und wirtschaftlich begründete Auswanderungen findet man heute die Täufer weltweit verbreitet. Geografische Schwerpunkte sind Amerika, Afrika und Asien. Während in Europa die Mitgliederzahlen rückläufig sind, steigen sie in Afrika und Asien. Beurteilt man die täuferische Bewegung heute, realisiert man, dass es ein gewaltiges Suchen nach Freiheit innerhalb biblischer Werte ist. Im Mai 2025 werden sich in Zürich die Katholiken, Lutheraner und Reformierten mit den Mennoniten treffen, um ihre gemeinsamen biblischen Werte hervorzuheben. Es geht ums Aufzeigen, dass die Geschichte anders sein kann als Krieg, Verfolgung und Vertreibung – nämlich Versöhnung und Vergebung.

Quellen

Der Autor: Philipp Schmuki, war von 2015 bis vor zwei Jahren Pastor der Alttäufergemeinde Emmental. Aufgewachsen ist er in Kröschenbrunnen. Später arbeitete er 25 Jahre im Ausland, hauptsächlich in Südostasien als Theologe.

Die Quellen: «Die Taufgesinnten Gemeinden», S. H. Geiser, Courgenay, 1971; https://taeuferbewegung2025.de Dr. Astrid von Schlachta; History of the Bernese Anabaptists by Ernst Müller Pfr in Langnau edited by Joseph Stoll 2010; www.mennonitica.ch «Weil es teufferlet» von Hanspeter Jecker.

16.01.2025 :: Philipp Schmuki