Ich sitze auf einer Holzbank an einem Tisch umgeben von Frauen und komme mir unpässlich vor. Alle haben sie gebacken, gekocht, gerührt und ich? Ich habe zwei Pack Bio-Chips mitgebracht. Damit es etwas mehr Stil hat, habe ich sie extra in einem Bioladen gekauft, sehr exklusiv und teuer. Da die Chips dann aber in einem Pappkar-ton serviert wurden, hat gar niemand bemerkt, wo ich die Chips gekauft habe. Leider war diese Exklusivität beim Reinbeissen in die Chips nicht wahrnehmbar. Deswegen habe ich in den Gesprächen, wo gegenseitig Betty-Bossi-Tipps hin und her gingen, betont, dass ich die BIO-Chips aus einem BIO-Laden gekauft habe. Und habe erzählt, was ich sonst normalerweise so an Backkünsten vorweisen kann. Doch während ich mit meinem Selbstwertgefühl, welches ich aktuell an diese Packung Chips gehängt habe, am Kämpfen bin, wird mir allmählich bewusst, dass ich nicht alleine in diesem Betty-Bossi-Kampfring stehe. Ich beobachte, wie Frauen ihr mitgebrachtes Gebäck als erstes anschneiden. Dabei denke ich zuerst, sie wollen auf Nummer sicher gehen, dass sie nicht vergiftet werden. Stelle dann aber fest, dass es ähnliche Stressgedanken sind, wie es bei mir der Fall ist. «Ich muss kurz testen, ob es wirklich gut schmeckt, sonst nehme ich es gleich wieder weg», sagt mir eine Frau entschuldigend. Ich höre auf einmal überall die Frauen, die sich entschuldigen für ihr mitgebrachtes Essen. Ich ärgere mich heimlich und frage mich, ob Betty unser aller Boss ist und ob sie nicht mal die Klappe halten kann! Die soll sich doch nicht so aufspielen mit ihren tausend Rezepten. Jetzt knacken die Chips schon fast trotzig in meinem Mund. Dann tatsächlich tritt Betty in den Hintergrund und überlässt auch mal anderen Themen den Platz. Doch ihr glaubt es nicht, mir nichts, dir nichts übernimmt sie immer wieder das Ruder. Spätestens beim nächsten Gang hat Betty Bossi wieder die Hosen an. Es werden Rezepte ausgetauscht und Mitgebrachtes von anderen auf deren Süsse oder Konsistenz beurteilt. Ich beisse nochmals in meine exklusiven Chips, kaue sie, versuche, den teuren Preis herauszuschmecken. Mit vielen Betty-Bossi-Kuchen und Instagram-Rezepten im Kopf und im Bauch wackle ich dann nach Hause. Dabei umklammere ich einen der übrig gebliebenen Bio-Chips-Säcke, an dem mein Selbstwertgefühl hängt und dessen Inhalt, so exklusiv wie er auch sein mag, halt doch einfach nach Chips schmeckt!