Andreas Wisler am diesjährigen Speaker Slam in Wiesbaden, Deutschland.Er erzählt über seine Erfahrungen mit psychischen Problemen. / Bild: zvg
Sumiswald: Andreas Wisler (52)trat beim diesjährigen Speaker Slam an. Früher hatte er mit psychischen Problemen zu kämpfen. Heute hilft er Menschen, besser mit Stress umzugehen.
Herr Wisler, Sie waren am diesjährigen Speaker Slam in Wiesbaden. Um was geht es bei dieser Veranstaltung?
Es ist ein offener Wettbewerb, bei dem mehrere Redner gleichzeitig auf der Bühne stehen und in wenigen Minuten um die Gunst des Publikums buhlen. Die Zuschauer haben dabei Kopfhörer an und entscheiden, wem sie zuhören wollen.
Was hat Sie dazu bewegt, an diesem Wettbewerb teilzunehmen?
Ich halte schon seit längerer Zeit Vorträge an Schulen und in Firmen zum Thema psychische Belastungen. Da dieses Thema meiner Meinung nach immer noch stigmatisiert ist in unserer Gesellschaft, wollte ich damit ein grösseres Publikum erreichen.
Sie haben ein schweres Thema gewählt.
Ja, ich war selbst betroffen von psychischen Problemen. Ich hatte drei Psychosen, die letzte vor elf Jahren. Aus diesem Grund ist mir dieses Thema sehr wichtig.
Wie haben sich die Psychosen bei Ihnen geäussert?
Ich hatte Wahrnehmungsstörungen. Dabei habe ich meine Umwelt auf eine seltsame Weise interpretiert. Zum Beispiel habe ich in Gesprächen oder in meiner Umgebung Zeichen wahrgenommen und dachte, dass mir so Botschaften übermittelt werden. Als gäbe es eine Art Geheimsystem, in dem ich eine Rolle spiele. Dies hat sich immer weiterentwickelt, bis ich mich eines Tages im Grossraumbüro, in dem ich schon seit Jahren gearbeitet hatte, verlaufen habe. Danach wurde ich das erste Mal in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen.
Können Sie sagen, was der Auslöser für diese Psychose war?
Es ist schwierig zu sagen, was genau dazu geführt hat. Es waren wahrscheinlich verschiedene Faktoren. Einerseits hatte ich beruflichen Stress, da ich gerade eine neue Stelle begonnen hatte. Zudem waren wir dabei, unser Haus umzubauen, dann die Familie mit drei kleinen Kindern. Andererseits habe ich versucht, den Stress mit Alkohol und Cannabis zu bewältigen, was kontraproduktiv ist, da besonders Cannabis eine Psychose begünstigen kann. Auch eine mögliche genetische Veranlagung kann dazu beigetragen haben.
Was hat Ihnen geholfen, diese Probleme zu überwinden?
Sicher der Halt, den ich aus der Familie und aus meinem Freundeskreis erhalten habe. Auch die Einweisung in die Psychiatrie, die Therapie und Medikation waren wichtige Schritte. Ich habe gelernt, mehr auf mich zu hören und versuche, im Alltag achtsam zu sein. Was mir auch geholfen hat, ist zum Beispiel die Meditation. Wenn ich merke, dass mir zu viele Gedanken im Kopf herumschwirren und ich gestresst bin, dann versuche ich, mich durch Atemübungen auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Sie sagten, dass sie Ihre letzte Psychose vor elf Jahren hatten. Wie geht es Ihnen heute?
Mir geht es wieder gut. Ich arbeite wieder Vollzeit, dies mit einem 80 Prozent Pensum als Team-Coach. Ich habe ausserdem eine Ausbildung zum Resilienztrainer absolviert. In diesem Bereich arbeite ich heute in einem 20-Prozent-Pensum. Aber bei psy-chischen Krankheiten gibt es kein schwarz oder weiss. Also kann man nicht wirklich sagen, dass man geheilt ist.
Was machen Sie bei dieser Tätigkeit als Resilienztrainer?
Ich berate Projekt-Teams, Gruppen, aber auch einzelne Personen und zeige ihnen Methoden, um stressige Phasen oder Krisen zu meistern, ohne daran zu zerbrechen. Es geht darum, schwierige Situationen zu bewältigen, ohne dabei bleibende psychische Schäden davonzutragen.
Inwiefern hilft Ihnen ihre eigene Erfahrung mit psychischen Problemen bei dieser Tätigkeit?
Es ist ein Türöffner und schafft Vertrauen. Da ich einen langen Genesungsweg hatte und viele Dinge aus-probiert habe, kann ich aus meinen persönlichen Erfahrungen erzählen und bei Fragen aus der Sicht eines Betroffenen antworten.
Was würden Sie Menschen raten, die auch mit psychischen Problemen zu kämpfen haben?
In erster Linie das Gespräch mit einer vertrauten Person suchen. Es ist wichtig, dass man darüber redet, egal ob
im Freundeskreis, bei der Arbeit oder im Sportverein. Weiter würde ich dazu raten, sich professionelle Hilfe zu suchen, damit die Situation richtig beurteilt werden kann.
Nochmal zurück zum Speaker Slam. Was konnten Sie dem Publikum mitgeben?
Es war sicher eine Möglichkeit, das Thema psychische Probleme in der öffentlichkeit ins Gespräch zu bringen, da dies sonst eher unter Betroffenen geschieht. Ich konnte ausserdem einige Tipps platzieren und auf das Thema aufmerksam machen.
Warum, denken Sie, hat das Publikum Ihnen zugehört?
Es ist ein Thema, welches doch viele Menschen betrifft. Ich glaube, dass sich der eine oder andere dabei angesprochen gefühlt hat.