In seinen Versen erzählt er lieber vom Lebenssinn als von heiler Welt

In seinen Versen erzählt er lieber vom Lebenssinn als von heiler Welt
Er trägt den «Chüejermutz» so selbstverständlich wie einen Talar: der Signauer Pfarrer Stephan Haldemann. / Bild: zvg
Signau: Er ist nicht nur Jodler und Dorfpfarrer, sondern seit seiner Jugend auch engagiert im Verband. Nun trat Stephan Halde­mann als Präsident des Kanto­nalen Jodlerverbandes zurück.

«S'git doch geng no huffe Mönsche, wo eim mängisch nötig hei.» So beginnt das berührende Jodellied «Nächsteliebi» von Stephan Haldemann. Von all seinen Kompositionen sei dies wohl seine liebste, sinniert der jodelnde Sänger, Dirigent, Komponist und Verbandspräsident. Denn hier werde auch seine andere Berufung spürbar, jene als Pfarrer, Seelsorger und Theologe. Zentral für ihn ist es, dass Menschen nicht allein gelassen werden, und so ertönt der Refrain dieses Liedes: «Nimm Dir Zyt für ­anger Lüt, Nächschteliebi choschtet nüt!»


Schatten und Sonnenschein

Sich gegenseitig beistehen und Licht in die Stube bringen. Die so einfache wie radikale christliche Botschaft bringt Stephan Haldemann in seinen Melodien und Texten ebenso gut auf den Punkt wie in den Predigten. «Chueli, Bänkli, Hüttli, schöne Berge und heile Welt sind nicht mein Alltag.» Zwar singe er selber auch gerne solch traditionelle Lieder. In den eigenen Versen aber erzählt er vom Lebenssinn. Warum im Herbst 1990 das erste eigene Lied entstand, verrät schon dessen Titel: «Ja, de muess i eifach singe». Seine Kompositionen schildern, wie das Glück im Leben wechselt wie Schatten und Sonnenschein, er betrachtet den erwachenden Tag, erinnert an ein «Chrankebsüechli» oder eine «Blueschtfahrt», jodelt vom älter und «gschyder» werden und vertonte gar die Liturgie für einen ganzen Gottesdienst. Das ist gesungene Lyrik vom menschlichen Kommen und Vergehen.


Grandioser Chor zum Rücktritt

Um die 400 Leute waren Anfang Februar im Huttwiler Campus versammelt zur Delegiertenversammlung des bernisch-kantonalen Jodlerverbandes, der rund einen Drittel des nationalen Verbandes ausmacht. Ein kleiner Film auf Stephan Haldemanns Facebook-Seite zeigt eindrücklich die besondere Stimmung in der Halle. Alle Gäste sind in Trachten und Sennenkutten gekleidet. Vorne dirigiert er als abtretender Präsident und neues Ehrenmitglied im Chüejermutz die Halle - die grosse Versammlung verwandelt sich zum Schluss in einen grandiosen Chor. Sonst tritt der 58-jährige Signauer eigentlich vor allem als erster Jodler mit seinem Jodlerklub Alpenrösli Münsingen auf, den er seit 1990 dirigiert. Dort ist er aufgewachsen und schon als Jugendlicher eingetreten, weil ihm das gemeinsame Singen «in der Provinz» wichtiger war als eine allfällige Gesangskarriere, sagt Stephan Haldemann rückblickend mit einem Schmunzeln. Er entschied sich für ein Theologie-Studium an der Uni Bern und schrieb sinnigerweise seine Lizen­ziatsarbeit zum «Jodelgesang in der Kirche».


Ins Jodeln hineingewachsen

Sein Vater war als Fahnenschwinger aktiv im Jodlerverband und Stephan trat mit seiner glockenhellen Stimme schon früh im Duett mit Schwester oder Mutter auf. So wuchs er in die Jodlergemeinschaft hinein, und weil er gerne administrative Arbeiten erledigte, wurde er bald auch im Verband geschätzt. Von 1985 bis 1992 war Haldemann Unterverbandsberichterstatter des Berner Verbands, seit 1990 Kursleiter Jodelgesang und seit 2006 im Kantonalvorstand. Auch ins Präsidentenamt sei er dann reingerutscht, aber er habe es sehr gerne gemacht, betont Stephan Haldemann. Hier entpuppte sich seine pfarrerliche Sozialkompetenz wohl als Führungsqualität. Nach zwölf Jahren ist jetzt aber Schluss. Doch die Musik bleibt täglich präsent, auch in der gemütlichen Stube des Signauer Pfarrhauses. Denn seinen Lebenspartner Jürg Wenger lernte er ebenfalls beim Jodeln kennen, er begleitet ihn oft mit Orgel oder Örgeli. Und schon wartet das nächste Projekt auf den musizierenden Pfarrer. Seine Alpenrösli können an den Konzerten vom 22. und 23. März im Schlossgut Münsingen neue Trachten einweihen. Da ist der Dirigent Haldemann gefordert, und wer weiss: vielleicht auch der Komponist.

20.02.2025 :: Karl Johannes Rechsteiner (kjr)