Im alten Militärspital in Langnau warten Werke von verschiedenen Künstlerinnen und Künstler auf Leihnehmer. / Bild: Regine Gerber (reg)
Langnau: Die Gemeinde will ihre Kunstsammlung für alle zugänglich machen. In der neuen Artothek können ab sofort 120 Werke gegen eine kleine Gebühr ausgeliehen werden.
Viele Gemeinden lagern Kunst in ihren Kellern. So auch Langnau: Die Kunstsammlung ist im alten Militärspital unter der Turnhalle des Oberstufenzentrums untergebracht. Sie umfasst gegen 3000 Objekte. Bis 2019 waren es rund 500, doch dann kamen unversehens 2500 Werke dazu. Sie gelangten nach der Auflösung der Stiftung Hans Ulrich Schwaar in den Besitz der Gemeinde. Wie üblich für wohl viele gemeindeeigene Sammlungen werden die Werke auch in Langnau nur ab und zu für eine Ausstellung aus dem Keller geholt. Einige Bilder zieren zudem Wände von Verwaltungsbüros. «Doch so viele Büros haben wir in Langnau auch wieder nicht», sagt Gemeinderat Martin Lehmann, zuständig für das Ressort Kultur, lachend. Damit die Kunst nicht im Depot verstaubt, hat die Kulturkommission eine Idee entwickelt: In einer Artothek sollen die Werke, die «eigentlich allen Langnauerinnen und Langnauern gehören», ausgeliehen werden können. Es funktioniert wie eine Biblio- oder Ludothek. Nur dass die Nutzer statt Bücher oder Rollbretter Kunstwerke mit nach Hause nehmen. Für 25 Franken (Langnauerinnen und Langnauer) respektive 40 Franken (Auswärtige) kann ein Bild ein Jahr lang ins heimische Wohnzimmer gehängt werden.
120 Werke stehen zur Auswahl
Zum öffentlichen Ausstellungs- und Verleihraum wird das alte Militärspital indes nicht. Der Zugang zur Artothek erfolgt über eine Website. Auf www.artothek-ie.ch sind die ausleihbaren Werke präsentiert und können direkt reserviert werden. Zwei Mal im Jahr finden Abholungs- und Rückgabetage im Depot statt - das erste Mal am 28. und 29. März. Susanne Walder und Reto Mettler gehören der Kulturkommission an. Sie haben viele Stunden Arbeit in das Projekt gesteckt. «Zuerst galt es, Werke auszuwählen, Texte zu ihrem Hintergrund zu schreiben und sie auf einer Website zu erfassen», erzählt Susanne Walder. 120 Werke stehen nun zur Ausleihe bereit. Darunter zum Beispiel Zeichnungen, Holzschnitte, Aquarell- und Ölbilder so-wie Bronzeplastiken. Vertreten sind Werke von elf nationalen und internationalen Künstlern, von Eugen Jordi über Hans Kohler bis zur finnischen Künstlerin Soile Yli-Mäyry. «Wenn es auf grosses Interesse stösst, können wir das Angebot für die Ausleihe laufend erweitern», sagt Susanne Walder.
Sorgfältiger Umgang nötig
Ganz neu ist die Idee einer Artothek nicht, wie Martin Lehmann zugibt. «Als wir gestartet hatten, stellten wir fest, dass die Idee in anderen Gemeinden bereits umgesetzt wird, so etwa in Meggen, Luzern oder Sitten. Im Kanton Bern sei Langnau aber wohl die erste Gemeinde mit einer Artothek. Den Pioniercharakter betont auch Reto Mettler. «Vor allem mit der Aufbereitung und den ausführlichen Texten auf der Website ist unser Projekt einzigartig», meint er. «Die Kunstwerke werden so für die Öffentlichkeit wirklich sichtbar.» Alle Interessierten dürfen die Artothek nutzen. Und was passiert, wenn das ausgeliehene Gemälde wegen eines offenen Fensters einen Wasserschaden davonträgt oder die Kinder es mit Filzstift verzieren? «Wir gehen davon aus, dass es Kunstinteressierte sind, die in die Artothek kommen, und dass sie daher sorgfältig mit den Werken umgehen», sagt Walder. Klar sei, dass die Bilder nicht verändert werden sollen, also zum Beispiel auch der Rahmen nicht ausgewechselt werden darf. Bei der Ausleihe wird zu-dem ein Vertrag unterschrieben. «Für die Versicherung sind die Leihnehmerinnnen und Leihnehmer zuständig», erklärt Susanne Walder. Der Versicherungswert der Bilder liege in einer Grössenordnung, dass eine normale Hausratversicherung ausreiche, also keine extra Kunstversicherung notwendig sei. Bei einigen besonders lichtempfindlichen Bildern müsse im Vorfeld mit einem Mitglied der Kulturkommission abgesprochen werden, ob sich der vorgesehene Ort für das Werk eigne.