Sina Siegenthaler, Schangnau, ist Weltcupathletin im Snowboard-Cross.
Vor einem Monat reiste ich für zwei Wettkämpfe nach China. Zwei Flugstunden von Peking entfernt, in der Region Jilin, liegt das Skigebiet Beidahu. Am Ankunftstag schlenderten wir durch die überschaubaren Strassen, noch ahnungslos, dass uns eine besondere Woche bevorstand. Dort, wo sich die meisten Leute aufhielten, erfuhren wir jedoch bald, dass ausgerechnet in dieser Woche praktisch alle Chinesen Ferien haben: Das chinesische Neujahrsfest stand unmittelbar bevor. Anders als bei uns wird das chinesische neue Jahr jeweils an einem Neumondtag zwischen dem 21. Januar und 21. Februar gefeiert. Und wenn ich feiern sage, meine ich es so: Bereits drei Tage vor dem Neujahr begannen riesige Feuerwerke, die die bösen Geister vertreiben sollen - und sie hörten auch nicht auf, als wir eine Woche später abreisten. Die Vorbereitungen für dieses Fest laufen schon wochenlang im Voraus. Haushalte werden gründlich gereinigt, um das alte Jahr und seine Unglücke zu vertreiben - ein Brauch, der symbolisch für den Neuanfang steht. Alles wird geschmückt, je kitschiger, desto besser. Und hauptsächlich in Rot, weil diese Farbe für Glück und Freude steht. Der letzte Tag des Jahres gehört der Familie, und oft wird über mehrere Tage hinweg weitergefeiert. Das Festmahl ist dabei ein zentrales Element: Verschiedene traditionelle Gerichte werden serviert, jedes mit einer besonderen Bedeutung. Fisch steht für Überfluss, während Jiaozi (Teigtaschen) Wohlstand symbolisieren. Von den konkreten Familienfesten haben wir zwar nicht viel mitbekommen, aber das Skigebiet war überfüllt und wir hatten wohl noch nie so viele Zuschauer bei einem Wettkampf. Snowboarden ist in China viel angesehener und cooler als Skifahren - wir wurden fast wie Helden gefeiert, sobald wir eine Startnummer trugen. In Beidahu war es zudem bitterkalt. Wir klebten unsere Gesichter mit Tape voll, damit die Haut nicht einfror. Der Schnee war entsprechend trocken, und wenn man ihn aufwirbelte, blieb er sekundenlang als Wolke in der Luft. Überall waren riesige Eisskulpturen und -schlösser aufgebaut, und Swissski-Jacken inklusive Sponsorenlogos konnte man sogar in den Sportgeschäften kaufen - so beliebt sind sie. Jetzt ist im chinesischen Tierkreis zwar das Jahr der Schlange, doch der Drachentanz, den wir gesehen haben, ist symbolisch in China sehr wichtig. Und da ich mit Jahrgang 2000 ein Drachenkind bin, hatte mir das wohl die nötige Kraft gegeben, aufs Podest zu fahren.