«Die Herstellung von Käse ist die DNA einer Schaukäserei»

«Die Herstellung von Käse ist die DNA einer Schaukäserei»
Volle Kessi: 48 Laibe Gruyère AOP werden pro Tag im Maison du Gruyère hergestellt - unter den Augen der Besucher. / Bild: zvg
Affoltern: In der Schaukäserei wird bald kein Emmentaler mehr hergestellt. Wie sieht die Situation in ähnlichen Betrieben aus, wo Gruyère oder Appenzeller im Zentrum stehen?

«In unseren Augen braucht eine Schaukäserei eine lebendige Käse­produktion für den Markt», erklärt der Geschäftsführer der Appenzeller Schaukäserei AG, Ralph Böse, auf die Frage, ob für ihn eine Schaukäserei ohne Produktion denkbar wäre. «Für uns nicht vorstellbar - eine echte Käserei ist das Herzstück des Besuchs», antwortet Fabienne Porchet, Direktorin des Maison du Gruyère, auf dieselbe Frage.


Mehrheit kommt während Produktion

Im Maison du Gruyère würden zirka 60 Prozent der Gäste in der Zeit gezählt, in der von der Galerie aus die Produktion des Käses verfolgt werden könne. Die einzelnen Arbeitsschritte werden den Besuchern mit Videos erklärt. Die Galerie ist integriert in die interaktive Ausstellung «Le Gruyère AOP, voyage au cœur des sens». Die Herstellung von Appenzeller Käse sei die DNA der Schaukäserei, hält Geschäftsführer Ralph Böse fest. Sie sei der Anziehungspunkt und Authentizitätsgarant für das Gesamtgebilde. «Die steigenden Besucherzahlen in der Erlebnisausstellung zeigen, dass das Interesse an der Live-Produktion des Markenprodukts Appenzeller Käse hoch ist.»


Gleiche und ungleiche Zahlen

Was die Besucherzahlen anbelangt, bewegen sich die Schaukäsereien in Stein (Appenzell Ausserrhoden) und in Affoltern im Emmental in einem ähnlichen Rahmen. In Appenzell wurden vergangenes Jahr 229'000 Besucher verzeichnet, wie der Geschäftsführer auf Anfrage sagt. In Affoltern waren es 2024 gut 263'000 Gäste (siehe Kasten). Im Maison du Gruyère, das sich im Vorort Pringy bei Gruyère befindet, wurden letztes Jahr fast 640'000 Besucherinnen und Besucher gezählt. Interessant sind die Zahlen der Milchmengen: Während in Affoltern 2,5 Millionen Kilogramm Milch verarbeitet werden, sind es in der Gruyère-Schaukäserei gut 6 Millionen und in Stein (AR) gar 7 Millionen Kilogramm Milch. Beim Appenzeller Käse mache die hergestellte Menge der Schaukäserei 8 bis 9 Prozent der gesamten Produktion aus, wie Ralph Böse erklärt. «Nach starken Nachfragejahren während der Pandemie ist der Markt seit Ausbruch des Ukrainekrieges im Februar 2022 unter Druck.» Die Produktion der Appenzeller Schaukäserei ist in einem eigenen Profitcenter teilautonom organisiert. «Die Käseproduktion ist wirtschaftlich und trägt wesentlich zum Erfolg der Appenzeller Schaukäserei als Gesamtbetrieb bei», hält Ralph Böse fest. Auch im Maison du Gruyère wird die Käseproduktion - pro Tag werden 48 Laibe Gruyère AOP und daneben noch Vacherin AOP hergestellt - autonom und wirtschaftlich geführt. Geschäftsführerin Fabienne Porchet bedauert, dass sich die Emmentaler Schaukäserei aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sehe, die Produktion einzustellen. «Ich hoffe aber, dass Emmentaler AOP auch künftig in den Käsevitrinen zu finden sein wird.» Was macht eine erfolgreiche Schaukäserei aus? Der Erfolg eines solchen Betriebs sei abhängig vom Erfolg des Kernprodukts, der Wirtschaftlichkeit in allen Betriebsbereichen, der Lage in Bezug auf touristische Ströme sowie der Lebendigkeit des Betriebes, sind sich die Geschäftsführer der Schaukäsereien im Osten und Westen der Schweiz einig. «Der gesunde Mix der Erfolgsfaktoren ist entscheidend und kann von Betrieb zu Betrieb

variieren.»

«Manche Reaktionen waren unter der Gürtellinie»

Die Nachricht der Emmentaler Schaukäserei AG, die Produktion von Emmentaler AOP per Ende Juni einzustellen, habe für heftige Reaktionen gesorgt, sagt Verwaltungsratspräsident Daniel Meyer. «Manche Reaktionen waren unter der Gürtellinie.» Dem Entscheid sei ein langer Prozess vorausgegangen, wie Meyer ausführt. «Die heutige Struktur der Produktion in der Schaukäserei ist ungünstig. Zweimal am Tag eine kleine Charge zu käsen ist unwirtschaftlich.» Letztes Jahr habe ein hoher Verlust resultiert. Weiter begründet Meyer den Schritt mit der sinkenden Menge an silofrei produzierter Milch und nötigen Investitionen. Ist es nicht ein schlechtes Zeichen für andere Emmentaler-Käsereien, wenn ausgerechnet die Schäukäserei die Produktion einstellt? Die gesamte Emmentaler-Branche müsse sich hinterfragen, sagt der Verwaltungsratspräsident. In den letzten 25 Jahren sind viele Emmentaler-Käsereien verschwunden: Nach dem Wegfall der staatlich subventionierten Käseunion 1999 ist die Produktion von Emmentaler von 45'000 auf 13'000 Tonnen pro Jahr eingebrochen - und damit auch etliche Betriebe. Daniel Meyer kennt die Situation des traditionellen Käses bestens, präsidiert er doch den Vorstand der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland. «Es gibt Märkte, wo ein Wachstum festgestellt werden kann. Insgesamt ist der Absatz aber rückläufig. Zu schaffen machen dem Emmentaler AOP insbesondere die Einbussen in Italien.»


Grössere Strukturen gefordert

Wie hat die Emmentaler-Produktion eine Zukunft? «Indem die Strukturen angepasst und Produktionsanlagen vergrössert werden, wie dies in der Ostschweiz geschehen ist», sagt Meyer. Aber besonders im Stammland des Emmentalers tue man sich schwer mit grösseren Strukturen. In Affoltern sei aber keine grössere, zentrale Produktionsstätte für Emmentaler AOP geprüft worden, erklärt der Verwaltungsratspräsident. Man konzentriere sich, auch bezogen auf die geplanten Investitionen, auf das Tourismusgeschäft. Dieses läuft nicht schlecht: Mit 263'000 Gästen konnte die Zahl der Besucherinnen und Besucher gesteigert werden. Die Leitung der Schaukäserei beabsichtigte die heutige Produktionsanlage «zur schweizweit ersten voll begeh- und erlebbaren Käserei umzunutzen».

20.03.2025 :: Bruno Zürcher (zue)