Bald ein Bild der Vergangenheit: Emmentaler Produktion in der Schaukäserei in Affoltern. Dasselbe Schicksal droht auch anderen Käsereien. / Bild: zvg
Emmental: Dass die Emmentaler Schaukäserei die Produktion einstellen wird, ist bekannt. Auch in anderen Betrieben macht man sich Gedanken, wie es mit dem Käse weitergehen soll – mit unterschiedlichen Lösungen.
Dass die Emmentaler Schaukäserei (ESK) die Produktion einstellen will, hat auch die Politik auf den Plan gebracht. Eine Delegation von Grossrätinnen und Grossräten sowie die Leitung der Regionalkonferenz Emmental hat sich kürzlich mit dem Verwaltungsrat und dem Geschäftsführer der Schaukäserei getroffen. Das Ergebnis: «Wir verstehen die wirtschaftlichen Herausforderungen der ESK als Gesamtbetrieb und können auf diesem Hintergrund den
Entscheid nachvollziehen», steht in einer Mitteilung der Regionalkonferenz. Die Organisation fördert zwar den Tourismus. Aber: «Die Politik kann nicht einzelne Betriebe finanziell unterstützen», hält Andreas Wyss, Präsident der Regionalkonferenz Emmental, fest. Er hoffe, dass sich die Neuausrichtung der Schaukäserei bewähre – der Betrieb in Affoltern sei für den hiesigen Tourismus sehr wichtig.
Kein Interesse an der Übernahme
Im Gespräch mit den Politikern habe die Leitung der ESK Bereitschaft signalisiert, den Produktionsbetrieb an eine Drittfirma vermieten zu wollen. Gibt es Interessenten? «Nein», sagt Daniel Meyer, Verwaltungsratspräsident der Schaukäserei, auf Anfrage. Weiter betont er zum wiederholten Mal, dass sich die Leitung der Schaukäserei den Entscheid, künftig keinen Emmentaler mehr zu produzieren, nicht leicht gemacht habe. Man habe zwar in den letzten Jahren Schulden abbauen können, aber der Investitionsbedarf im gesamten Betrieb sei hoch. So hoch, dass man sich nun auf den Tourismus konzentriere. «Bei Kambly können die Gäste auch nicht die Produktion besichtigen. Dennoch ist der Betrieb sehr gut besucht», nennt Meyer ein Beispiel.
Dass die Schaukäserei in Affoltern die Produktion einstellen wird, deuten viele als einen Untergang des Flaggschiffs. Wie sieht Daniel Meyer, er amtet auch als Präsident der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland, die Situation? «Wir konnten die Absatzmenge stabilisieren und es gibt auch positive Anzeichen. So ist etwa der Verkauf im Inland gestiegen.» Auch wenn sich die Produktion nach wie vor in einem Konzentrationsprozess befinde: «Emmentaler AOP ist nach wie vor ein wirtschaftlich interessantes Produkt», hält Meyer weiter fest.
Der Entscheid der Schaukäserei könne für andere Betriebe auch ein Gedankenanstoss sein, die eigenen Strukturen zu überdenken. Daniel Meyer fordert insbesondere im Stammland des Emmentalers grössere, effizientere Betriebe.
Grosse und kleine Käsereien
Grössere Betriebe gibt es im Emmental, etwa die Käserei Gohl. Im Lauf der Zeit hat das Unternehmen die Milch von sechs weiteren Käsereien übernommen. Gut zwei Drittel der Milchmenge wird zu Emmentaler AOP verarbeitet. «Das sind rund 18 Laibe pro Tag», sagt Inhaber Samuel Guggisberg. Daneben stellt das Team in Gohl eine ganze Palette an Spezialitäten her. «Weil die Produktionsmenge beim Emmentaler von der Sortenorganisation je nach Marktverlauf eingeschränkt wird, konnten wir in den letzten Jahren nie die gesamte Milchmenge verarbeiten.» Aber dank der Kombination mit den Spezialitäten könne der Betrieb ausgelastet und rentabel betrieben werden, bilanziert Guggisberg.
Man findet auch Käsereien mit einer ganz anderen Strategie. In der Käserei Höhe, Signau, fertigt Käser Alfred Schenk drei Laibe Emmentaler AOP pro Tag. «Unsere Anlage ist für diese Zahl ausgelegt, mehr geht nicht.» Von den dortigen Bauern wird deutlich mehr Milch angeliefert, als für die drei Laibe nötig wäre. Die Käsereigenossenschaft verzichte bewusst darauf, mit dieser Milch eigene Spezialitäten zu produzieren, sondern liefert diese weiter an die Industrie. «Das hat den Vorteil, dass ich fast alles selber erledigen kann», erklärt Alfred Schenk. Lediglich zwei Aushilfen – eine für die Milchannahme und eine im Keller – würden ihn unterstützen. In Zukunft strebe man an, die silofrei produzierte Milch in der Region zu verkaufen, sagt Schenk.
Die Hiobsbotschaft
Trotz der effizienten Arbeitsweise hat die Käserei Höhe, Signau, nicht einfache Monate hinter sich. Wie sechs andere Käsereien im Bernbiet auch, erhielt die Käsereigenossenschaft die Nachricht, dass das Milchverarbeitungsunternehmen Cremo künftig ihren Emmentaler AOP nicht mehr kaufen wolle.
Was sind die Gründe für diesen Schritt? «Seit mehreren Jahren ist der Verkauf von Emmentaler deutlich zurückgegangen», antwortet die Cremo S.A. auf die Anfrage der «Wochen-Zeitung». «Dies führte dazu, dass das Emmentaler-Geschäft für Cremo chronisch defizitär war.» Das Unternehmen verabschiedet sich aber nicht ganz vom
Emmentaler, sondern stellt lediglich die Produktion und die Reifung ein. «Wir sind bereit, die Vermarktung des Emmentalers fortzusetzen.» In den letzten Jahren seien jeweils rund 728 Tonnen Emmentaler AOP abgesetzt worden. Fortsetzen will Cremo hingegen die Produktion, Reifung und Vermarktung von Gruyère AOP sowie von Vacherin fribourgeios AOP.
Hart umkämpfter und schrumpfender Markt
Welche Möglichkeiten haben Emmentaler-Käsereien, deren Vertrag gekündigt wurde? Sie können sich einen neuen Abnehmer suchen, selber den Händlerstatus beantragen oder die Produktion einstellen, ist bei der Sortenorganisation zu erfahren.
Einen neuen Abnehmer zu finden, ist nicht einfach. Die Produktionsmenge von Emmentaler AOP wurde in der Vergangenheit stetig verkleinert. Seit 2014 hat sie um knapp 39 Prozent abgenommen und betrug 2024 noch 12´395 Tonnen, wie die Auswertung der Treuhandstelle Milch (TSM) zeigt. Von den Käsereien, welche bald keinen Emmentaler mehr an Cremo liefern können, haben noch nicht alle eine Lösung gefunden, wie die Recherchen der «Wochen-Zeitung» zeigen. Bauern und Käser müssen sich überlegen, ob auch künftig genügend Milch geliefert werden kann, weiter in die Käserei investiert werden soll, genügend Personal gefunden wird – und wie der Absatz des Käses gelöst wird.
Unterschiedliche Wege einschlagen
«Bei uns scheint sich eine Lösung abzuzeichnen», erklärt Alfred Schenk von der Käserei Höhe, Signau. Man habe eine mündliche Zusage eines Händlers, der den Emmentaler AOP künftig erwerben will. Dass eine Handelsfirma Interesse zeigte, dürfte auch an der Qualität des Käses liegen. 2023 erhielt Schenk für seinen Emmentaler AOP in neun Monaten die Höchstnote 20 und in den drei restlichen eine 19,5. «Die Auswertung für das letzte Jahr haben wir noch nicht, aber es sieht wieder gut aus», sagt Schenk.
Vom Entscheid der Cremo S.A. – welche bislang übrigens auch die Laibe der Emmentaler Schaukäserei gekauft hat – ist ebenso die Käsereigenossenschaft Mutten, Signau, betroffen. «Wir beabsichtigen die Produktion einzustellen», sagt Präsident Peter Gerber. Aus juristischen Gründen werde die Käserei noch eine Zeit lang als «in Betrieb» gelten, aber ab Ende dieses Monats werde die Produktion, so wie sie während Jahren geführt wurde, eingestellt. Mehrere Gründe hätten für den Schritt gesprochen, sagt Gerber und verweist auch auf den Strukturwandel. «Einst hatten wir bei der Käserei Mutten 36 Lieferanten, heute sind es noch sechs.» Wohin wird deren Milch künftig fliessen? Voraussichtlich würden drei Bauern ihre Milch an eine andere Emmentaler Käserei liefern und drei in die Industrie.
Silofreie Milch wird rarer
Milch in die Industrie zu liefern, hat für die Bauern den Vorteil, dass sie den Kühen auch Silage füttern können – das ist bei der Produktion von Emmentaler verboten. Im Frühling und im Herbst, wenn aus meteorologischen Gründen Heu nicht gedörrt werden kann, bietet Silage eine Arbeitserleichterung. Hinzu kommt, dass die Kühe dieses Futter gerne fressen. Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft und dem Umstand, dass für silofreie Milch nicht mehr ein grosser Mehrerlös erzielt werden kann, wird weniger solche Milch produziert. In den letzten zehn Jahren ist ihr Anteil an der gesamten Milchmenge laut der TSM von gut 32 auf 30 Prozent gesunken. Wird es bald an silofreier Milch mangeln? Die Leitung der Emmentaler Schaukäserei zumindest hat ihren Schritt, die Produktion einzustellen, unter anderem mit der künftig sinkenden Milchmenge begründet.