Eine Käsefuhre vom Bolzisberg nach Goldbach. / Bild: zvg
Emmental: Käse wird seit Jahrhunderten exportiert. Da der Zoll meistens pro Stück erhoben wurde, animierte man die Käser, immer grössere Laibe herzustellen. Diese hochaktuelle Thematik bildet einen Teil der neuen Ausstellung im Milchwirtschaftlichen Museum in Kiesen.
Die Ausstellung trägt den Titel «Käseexport - gestern und heute». Die sieben wichtigsten Käsesorten der Schweiz, ihre Geschichte, ihre Bedeutung für den Export und ihre unterschiedlichen Ausfuhrwege werden in der Ausstellung dargestellt. Da lesen wir beispielsweise, dass der Sbrinz seinen Namen von Brienz bekommen hat, denn dieses Dorf war der Sammelort für die Hartkäse aus der Innerschweiz und dem Berner Oberland. Hier wurden sie Säumerkarawanen anvertraut, die sie wohlverpackt in Fässern über den Grimsel- und den Griespass nach Italien hinüber trugen. Wir vernehmen, dass die Käselaiber von den Alpen des Greyerzerlandes dagegen mehrheitlich in Richtung Frankreich transportiert wurden, die meisten via Col de Jaman, Genfersee und Rhone nach Lyon.
Die Löcher kamen später
Natürlich liegt ein Hauptaugenmerk der Ausstellung auf dem Emmentaler, der über Jahre der mit Abstand wichtigste Exportkäse, sozusagen der Inbegriff von Schweizer Käse, war. Wir lesen allerdings, dass sich bis zu Beginn des 19. Jahrhundert der Emmentaler gar nicht so sehr vom Gruyère unterschied, weder in Grösse noch in Struktur. Beide entstanden auf den Berner- oder Freiburger-Alpen. Die warme Lagerung, die zur Ausbildung der grossen Löcher führt, kam erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Talkäsereien auf. Hier fing man auch an immer grössere Laibe zu produzieren, zahlte man doch die Weg- und Brückenzölle unterwegs in der Regel pro Stück - so konnte man bei der Ausfuhr Kosten sparen. Das 19. Jahrhundert war im Emmental die Zeit der einflussreichen und weltgewandten Käsehändler oder Käsebarone, wie sie oft genannt wurden. Sie waren massgeblich dafür verantwortlich, dass die Qualität der Käse besser wurde und dass ab 1870 Molkereischulen gegründet und die Ausbildung der Käser institutionalisiert wurde. Wie erwähnt: Lange wurden die Käselaibe auf dem Wasserweg aus dem Emmental ausgeführt. Flössen war aber nur in den Frühlingsmonaten möglich, wenn das Schmelzwasser Emme und Ilfis - beide noch ohne Tromschwellen - ansteigen liess. Die vorbereiteten Flösse wurden mit allen möglichen Holzwaren, mit Leinenstoffen, Obstbranntwein und eben mit Käse beladen, danach gings in rasanter, oft halsbrecherischer Fahrt flussabwärts, manchmal bis in den Aargau oder an den Rhein, wo die Ware, samt den Stämmen des Flosses, meist an andere Händler übergeben wurde.
Exportzölle sind wieder aktuell
Die Ausstellungsmacher ahnten wohl kaum, dass das Thema Zölle wieder einmal brandaktuell werden könnte. Eine Darstellung aus dem Jahr 2023 zeigt auf, wie unterschiedlich wichtig der Export für die verschiedenen Käsesorten ist. Vom produzierten Emmentaler etwa gingen 2023 immer noch mehr als die Hälfte ins Ausland, gut 50 Prozent davon nach Italien, 20 Prozent nach Deutschland, aber nur 4 Prozent in die USA. Beim Gruyère sieht es für einmal ungünstiger aus; Fast ein Drittel des Exportes erreichte 2023 die Vereinigten Staaten. Die Ausstellung wird bereichert durch viele Anschauungsgegenstände: Da sehen wir den legendären Käse-Skidress unserer Nati-Cracks aus den 90er-Jahren, oder die hölzernen Einwegverpackungen, mit denen die Käselaibe vor Transportschäden bewahrt wurden. Jeder Käsehändler hatte zu ihrer Herstellung einen oder mehrere Weissküfer («Kübler») angestellt.
Walter Gerber, der Tüftler
Apropos Transportschäden: Ein eigenes Kapitel ist dem Schmelzkäse und dessen Pionier Walter Gerber gewidmet. Es zeigte sich nämlich, dass der Käsetransport in die kühleren Länder gut funktionierte, dass die Käse aber in wärmeren Gegenden, wenn sie nach wochenlangem Transport ankamen, verschwitzt, verschimmelt und ungeniessbar waren. Da nützte auch die beste Verpackung nichts. Die Vorfahren von Walter Gerber, Käsehändler in Langnau, waren aus dem Emmental nach Thun umgezogen und hatten sich in der Nähe des neuen Bahnhofs ein grosses Grundstück erworben. Walter Gerber setzte seinen Ehrgeiz nun darein, den Käse auch für tropische Länder transportfähig zu machen. Alles Mögliche probierte er aus, ohne Erfolg, bis ihn ein Berner Chemieprofessor auf die richtige Lösung brachte. Unterdessen ist die Schmelzkäseproduktion unter dem Namen Emmi wieder nach Langnau zurückgekehrt. Und die Kühlketten erlauben heute Transporte von Käse jeglicher Art in alle Weltgegenden. Wussten Sie, dass es möglich ist, Emmentalerkäse, der in der Schweiz hergestellt wurde, von allen ausländischen Nachahmerprodukten zu unterscheiden, und zwar in kleinsten Stücklein? Agroscope, die landwirtschaftliche Forschungsstätte in Liebefeld, liefert heute für alle Käsereien in der Schweiz die notwendigen Bakterienkulturen. Deren Gensequenzen können auch im fertigen Käse mikrobiologisch zweifelsfrei nachgewiesen werden. Der Ort, wo sich das Nationale Milchwirtschaftliche Museum seit 1974 befindet, ist nicht zufällig gewählt: In Kiesen, auf dem zum Schloss gehörenden Bauerngut, eröffnete 1815 der Adlige Rudolf Effinger die erste Talkäserei im Kanton Bern, und zwar genau in einem der beiden Häuser, die heute als Museum genutzt werden. «Kiesen ist der Geburtsort des Emmentalers; das dürften wir eigentlich als Logo auf unsere Ortstafel schreiben», erklärte Peter Gerber, der Kurator der Ausstellung, an der Vernissage.