Zum ersten Mal seit rund sieben Jahren fahren die zwei Praz-Brüder wieder direkt gegeneinander. Ein Konkurrenzkampf zwischen ihnen ist aber nicht spürbar, vielmehr profitieren Lucien und Vincent voneinander. Dass gleich beide bereits auf einem so hohen Niveau Skifahren, zeugt von ihrer grossen Leidenschaft für den Sport. «Die Vielfältigkeit schätze ich sehr», sagt der 19-jährige Lucien Praz. Auch sein jüngerer Bruder Vincent stimmt dem zu: «Immer andere Pisten, andere Bedingungen und ein neuer Reiz. Es wird nie langweilig». Langeweile passt sowieso nicht ins Hause Praz. Während der Sommersaison trainieren die Brüder wöchentlich fünf- bis sechsmal. Meist absolvieren sie die Konditions- und Krafteinheiten gemeinsam. Und ab Mitte November geht es dann sowieso Schlag auf Schlag. Bis im April sind Lucien und Vincent Praz jeweils etwa vier Tage pro Woche für Trainings und Renneinsätze in Schweizer Skigebieten oder in umliegenden Ländern.
Internationale Vergleiche
Hauptziel der beiden Brüder für die kommende Saison: Das Erreichen der nächsthöheren Stufe, also das Nationale Leistungszentrum Mitte (NLZ). Der 19-jährige Lucien Praz strebt gar eine direkte Selektion ins nationale C-Kader an. Er steigt diesen Winter in seine vierte FIS-Saison ein und möchte sich wie letztes Jahr wieder für Europacuprennen qualifizieren. Er erklärt: «Die FIS-Rennen bedeuten, dass du dich international mit anderen Athleten vergleichen und mit guten Resultaten deine FIS-Punkte senken und somit deine Rangierung in der Weltrangliste pro Disziplin verbessern kannst.» Ausserdem hofft der ältere Praz-Bruder auf eine unfallfreie Saison. In den letzten Jahren hatte er mit Verletzungen zu kämpfen. Auch der 16-jährige Vincent Praz schaffte vergangene Saison als eines von sieben Berner Talenten die Selektion ins BOSV-FIS-Kader. «Ich fühle mich bereit und sehr motiviert», erzählt er im Hinblick auf seine erste Saison im neuen Kader. Er profitiere von den Erfahrungen, welche sein Bruder bereits gemacht habe. Denn nicht nur auf, sondern auch neben der Piste erfordert die Kaderzugehörigkeit einen hohen Einsatz. Etwa beim Material, erklärt Mutter Ursula Praz: «Sie müssen selbst wissen, welches Material sie brauchen und wie sie dieses präparieren.» Da es keine ehemaligen Skirennfahrer in der Familie gibt, musste sie sich dieses Wissen eigenständig zusammentragen.
Ski-Leidenschaft im Emmental
Schon früh wurde das Feuer für den Skisport in den Brüdern geweckt. «Unser Vater ist in Veysonnaz im Unterwallis aufgewachsen, wo unsere Mutter später als Skilehrerin arbeitete. Als wir klein waren, sind wir oft dort gewesen und standen schon mit etwa drei Jahren auf den Skiern.» Da es der Familie irgendwann nicht mehr möglich war, so oft ins Wallis zu fahren, kamen Lucien und Vincent Praz schliesslich zu Ski Emmental, wo sie viel Unterstützung erhielten.
«Hier ist der Skisport weniger ausgeprägt als im Berner Oberland.» Aus diesem Grund sei es schwieriger, persönliche Sponsoren zu finden. Um die hohen finanziellen Aufwände decken zu können, nutzen beide die Möglichkeiten von Crowd Fundings (lokalhelden.ch) und der Schweizer Sporthilfe. Nebst dem Spitzensport investieren beide auch viel in ihre berufliche Zukunft. «Uns war immer wichtig, nebenbei ein zweites Standbein zu haben», sagt Lucien Praz. Deshalb besuchen beide das Sportgymnasium an der Feusi in Bern. Während Vincent in seinem zweiten Gymer-Jahr ist, konnte Lucien diesen Sommer seinen Maturaabschluss machen. Beide wollen sich so möglichst alle Türen offenhalten.